DIE FASSADE DER ZUKUNFT KANN MEHR
(Katharina Saxa, ÖGNI)
Eine ÖGNI Arbeitsgruppe beschäftigte sich von 2019 bis 2020 mit Fassaden der Zukunft. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zeigen, dass es die eine Fassade der Zukunft nicht gibt. Vielmehr wird die Errichtung einer Gebäudehülle unter Berücksichtigung derzeitiger und prognostizierter Veränderungen und Herausforderungen erfolgen. Es galt im Rahmen der Arbeitsgruppe, Denkanstöße sowie mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten, um den Anforderungen an eine Fassade innerhalb der nächsten 40 Jahren gerecht zu werden.
Dabei ist unumstritten, dass die Gebäudehülle Schutz vor Witterung und Umwelteinflüssen bieten muss, doch aus Sicht der Architektur trägt die Fassade auch einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung, der Klimawandelanpassung und dem Klimaschutz bei. Aufgrund dessen ergeben sich die erste These und Position, welche die Multifunktionalität der Gebäudehülle hervorhebt. Diese reicht von der formalen Nachhaltigkeit, mehr baurechtlichem Spielraum, elementiertem Bauen sowie der Integration der Gebäudetechnik in der Hülle bis hin zur Verbesserung des Mikroklimas.
Um dem Klimawandel aktiv entgegenzuwirken, bedarf es zudem der Betrachtung der eingesetzten Materialien. Maßgebend ist eine hohe Qualität, um die Lebensdauer von Materialien und damit von Gebäuden erheblich zu verlängern, dabei ist eine gute Instandhaltung und Pflege mitentscheidend. Zudem gilt es, keine Primärressourcen für den Bau und Unterhalt von Gebäuden zu verwenden sowie den Einsatz von Recyclingmaterial zu erhöhen. Ziel ist, die Schaffung einer „Circular Economy“, die Akteure wie Nutzer in die Lage versetzt, den Abbau von natürlichen Ressourcen auf ein Minimum zu reduzieren, bestenfalls gänzlich darauf zu verzichten.
Weiters sind die Nutzeranforderungen an eine Fassade der Zukunft zu berücksichtigen und durch den Begriff „Vielfalt“ geprägt, denn abhängig vom Gebäude- oder Quartiersstandort sowie den Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten der Nutzer werden diese unterschiedlich gewichtet.
Daraus resultiert, dass eine zukünftige Gebäudehülle nicht nur der reinen Funktionserfüllung dienen, sondern einen aktiven gesellschaftlichen Mehrwert erbringen wird. Dieser findet sich vor allem in den soziokulturellen Nachhaltigkeitskriterien wieder. Unumgänglich für eine ökonomische und ökologische Planung und Errichtung einer Fassade ist die Akzeptanz der Nutzer, die den Grundstein für die Erbringung von Mehrwert legt.
Quartiersbetrachtung
Zudem wird die Funktionalität sowie der Mehrwert einer Fassade in Zukunft noch stärker vom Standort- und der Quartiersbetrachtung beeinflusst werden. Hier gilt es, die Resilienz von Gebäuden gegenüber Einflüssen am Mikrostandort zu fördern und einzelne Gebäude und demnach auch ihre Hülle im Zusammenspiel mit anderen Gebäuden und somit auf Quartiersebene zu betrachten. Leistet das eine Gebäude mit seiner Gebäudebegrünung einen hohen Beitrag für das Mikroklima, könnte das Nachbargebäude prioritär Energie erzeugen und damit das andere mitversorgen. Denkmalgeschützte Objekte wiederum können zur Identitätsstiftung beitragen.
Die Fassade in der DGNB Zertifizierung
Die Aspekte der formulierten Positionen finden sich bereits in einigen Kriterien des DGNB Zertifizierungssystem wieder. Eine Gebäude- und Quartierszertifizierung nach DGNB ermöglicht demnach schon heute eine gezielte Überprüfung und gutachterliche Bestätigung in diese Richtung. Dennoch wird es notwendig sein, weiterhin daran zu arbeiten, um auch im Rahmen der Zertifizierung einen stärkeren Fokus hinsichtlich der genannten Positionen zu erzielen.
Bereits realisierte Projekte zeigen, dass die erstellten Positionen keineswegs Zukunftsfantasien sind, sondern einzelne Konzepte schon heute erfolgreich umgesetzt werden und auf die erwähnten Anforderungen und Herausforderungen der Zukunft eingehen.
Der Artikel ist ursprünglich am 29. April 2021 auf der Website der ÖGNI erschienen. Sie finden das Original hier.