Zukunft der Architektur

Katharina Bayer zu Nachhaltigkeit in der Architektur
04 10 “21

Sind Innovation und Nachhaltigkeit ein Gegensatz?

Innovation und Nachhaltigkeit sind kein Gegensatz. Ganz im Gegenteil. Jede Innovation sollte in Richtung Nachhaltigkeit gehen. Innovation bedeutet für mich eine Neuerung, die dazu beiträgt, gesellschaftspolitische Herausforderungen zu lösen. Da gibt es viele Themen, die Architektur betreffen. Wir brauchen sowohl technische wie soziale und kulturelle Innovationen in der Architektur und zur Innovation gehört natürlich die Umsetzung. Ideen auf den Boden zu bringen, ist die Kunst.
Um schlussendlich die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, braucht es vor allem aber auch quantitativen Fortschritt, nicht nur qualitativen. Etwas einmal innovativ gutzumachen, ist wertvoll, aber nicht wirkungsvoll genug. Die heutige Innovation liegt daher aus meiner Sicht vor allem darin, nachhaltige Erneuerung flächendeckend breit umzusetzen. Um eine Marktdurchdringung zu ermöglichen, braucht es in vielen Fällen neue Rahmenbedingungen.

Wie kann man die Rahmenbedingungen ändern?

Innovation bei den Regularien ist heute eine essenzielle Aufgabe, bei der Forschung, Praxis und Politik eng zusammenarbeiten müssen. Wir brauchen einen breiten Austausch der Disziplinen und auf allen Ebenen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die nicht hemmen, sondern beflügeln. Oft geben hier gerade die Nutzerinnen wertvolle Impulse, liefern gute Argumente und stärken damit der Innovation den Rücken. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, partizipative Planung führt meist zu innovativeren, nachhaltigeren Lösungen. Wichtig ist ja letztlich, dass nachhaltige Konzepte von den Nutzer*innen auch gelebt werden. Aber Partizipation kostet Zeit und braucht Erfahrung und Respekt vor anspruchsvollen Nutzungserwartungen.

Was haben wir schon erreicht und wo hakt es noch?

Die größten Fortschritte sehe ich derzeit in der Bewusstseinsbildung. Noch nie war das Bewusstsein für Umweltthemen so hoch wie jetzt.
Es gibt zunehmend nachhaltige Projekte, Initiativen, Einzelprojekte, aber in Summe zu langsam, auch wenn die Richtung grundsätzlich stimmt. Die breite Umsetzung scheitert derzeit weiterhin an konventionellen Denk- und Bauweisen, Baukostenlimits, kurzfristigem Denken, Altgewohntem. Zu kompliziert, zu teuer, zu riskant erscheinen Innovationen.
Kostenwahrheit im Sinne der Umwelt und langfristigen Folgen ist in der Architektur und auch anderswo noch nicht umgesetzt. Die Lebenszykluskosten oder Lebenserhaltungskosten geben weiterhin nicht den Ausschlag für unsere Entscheidungen. Nach wie vor steht kurzfristiges Denken, die Erstinvestition, also die Baukosten, im Vordergrund. Der quantitative Fortschritt spielt auch für die Kosten, eine entscheidende Rolle. Setze ich eine Lösung oft um, wird sie im Einzelfall billiger. Es braucht Economy of Scale im Dienste der Nachhaltigkeit. Innovation ist Veränderung, Grenzen ausloten und verschieben, sich in Graubereiche wagen. Oft wird hier z.B. auch die Haftung zum Limit für innovative Bauweisen, Materialien, Energiesysteme etc.

Was sind die Themen und Aufgaben der Zukunft?

Kreislaufwirtschaft, regenerative Baustoffe und umfassende Sanierung. Kreislaufwirtschaft kommt langsam in den Köpfen an, aber zur Umsetzung ist es ein weiter Weg, Holzbau ist bereits ein Thema, weiterhin unterrepräsentiert und Sanierung ist ein sehr großes Thema mit riesigen Aufholbedarf. Hier müssen wir rasch die richtigen Anreize schaffen und Zielkonflikte auflösen.
Positives Ende: das Umdenken hat begonnen, das Umsetzen folgt.

Das Interview wurde vom ÖIAV im Rahmen der Serie „OIAViG“ durchgeführt.